Mittwoch, 27. April 2016

Griechenland: Es geht wieder los mit der Schuldenkrise - oder haben wir nur ein neues Kapitel im großen Drama von Athen?

Die derzeitigen Berichte, dass die Eurokrise in Griechenland wieder losgeht, haben einen dramatischen Kern: Syriza läuft die politische Unterstützung weg. 

Athen: Parlamentsgebäude am Syntagma Platz
Athen: Parlamentsgebäude am Syntagma Platz
Die (noch vorhandene) Mehrheit im griechischen Parlament muss sich entscheiden, ob man auf die Stimmung im Land hört und internationale Verpflichtungen ignoriert - oder umgekehrt.

Das Osterfest steht in Griechenland bevor. Und da wollen alle Politiker aus Athen in ihre Heimatbezirke fahren und verkünden, dass alles besser wird.

Gar nicht passen dazu jüngste Meldungen, nach denen Athen die internationalen Geldgeber um Geld bittet, um die Staatspleite erneut abzuwenden. Aber steht die wirklich bevor?

In Griechenland haben die Gewerkschaften einen sehr starken politischen Einfluss. Sie haben ihre Nähe zur PASOK faktisch aufgegeben und stehen jetzt Syriza nahe. Die Partei von Premier Tsipras weiß aber genau, dass die Gewerkschaften sich mit sehr viel Macht auch gegen sie wenden können. Und das steht möglicherweise bevor. Mit den Geldgebern sind bestimmte Maßnahmen vereinbart, die in Spargesetzen umgesetzt werden. Und hier bildet sich erheblicher Widerstand.

Zudem müssen auch die Parlamentarier selbst mit Rentenkürzungen rechnen. So etwas ist unbeliebt, und da neigt bei Syriza der eine oder andere Abgeordnete aus eigennützigen Gründen dazu, sich den Gewerkschaften politisch anzuschließen und gegen die Umsetzung der vereinbarten Sparziele zu stimmen. Damit ist absehbar, dass der Regierung ihre politische Mehrheit verloren geht.

Den internationalen Geldgebern wird das egal sein. Sie möchten wissen, ob sie sich auf die gewählten Vertreter der Hellenischen Republik und die mit ihnen getroffenen Vereinbarungen verlassen können oder nicht. Können sie das nicht, werden keine neuen Gelder nach Griechenland fließen. Den den Wählern in den anderen Staaten Europas wird kaum zu erklären sein, weshalb ihre hart erarbeiteten Steuern in den Südosten fließen, wenn man sich dort an getroffene Vereinbarungen nicht hält.

Mittwoch, 16. März 2016

Schwarzfahren in Griechenland kostet das 60-fache des Ticketpreises

In Deutschland kostet es 60,- Euro, wenn man beim Schwarzfahren erwischt wird.

In Griechenland hat man das Thema anders gelöst. Dort kostet es das 60-fache des Ticketpreises. Der kann unter einem Euro liegen, aber auch deutlich darüber. So kostet zum Beispiel die Fahrt von der Innenstadt Athen zum Flughafen Athen 8,- Euro. Da ist man gleich bei 480,- Euro für das Schwarzfahren. 

Ich finde, das ist ein interessanter Ansatz.

Samstag, 17. Oktober 2015

Schwarzfahrer verursachen der Allgemeinheit einen großen Schaden

Ich habe heute einige Statistiken zum Thema Schwarzfahren gefunden, die aber leider nicht ganz aktuell sind (von 2012 und 2013).

Athen: Schwarzfahren kostet 60 mal so viel wie der Ticketpreis -  Foto von F. Roland A. Richter (Wiesbaden) - www.frar.com
Athen: Schwarzfahren kostet 60 mal
so viel wie der Ticketpreis
Die Quote der Schwarzfahrer in deutschen Großstädten (2013) ist erschreckend. Mit jeweils 4% Anteil an den beförderten Passagieren liegen Duisburg, Bonn, Berlin und Bielefeld vorne.

Es lohnt auch der Blick auf den Schaden, der durch Schwarzfahrer bei den jeweiligen Verkehrsverbünden entsteht. Im Hamburg lag der 2012 bei 24 Millionen €, in Berlin bei 20 Millionen €, in Stuttgart bei 14 Millionen € und in München bei 10 Millionen €.

Schwarzfahren wird in Deutschland theoretisch sogar bestraft. § 265a StGB sieht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor, wenn jemand vorsätzlich ohne Ticket fährt um sich das Geld zu sparen. Dass jemand wegen Schwarzfahrens tatsächlich vor dem Kadi landet, dürfte aber die Ausnahme sein. Meist wird das "erhöhte Beförderungsentgelt" von (derzeit) 60 € verhängt und damit ist die Sache erledigt. Der Kadi bleibt notorischen Schwarzfahrern vorbehalten, was ich in der Sache auch richtig finde.

In Europa liegen wir mit unseren 60 € in einem moderaten Mittelfeld. Wer sich in anderen Städten den Fahrpreis sparen möchte, kann evtl. deutlich härter zur Kasse gebeten werden. Für 2013 führt das Statistische Bundesamt hier folgende Spitzenreiter auf: Brüssel (200 €), Lyon (180 €), Zürich (160 €) und Luxemburg (ebenfalls 160 €).

Ich selbst habe vor kurzem in Athen gesehen, dass dort kein fester Betrag genommen wird, sondern das 60-fache des Ticketpreises. Das Schild dürfte den Vorteil haben, dass man es nicht austauschen muss, wenn der Fahrpreis sich mal erhöhen sollte. Der reguläre Fahrpreis beträgt derzeit 1,20 € pro Fahrt, damit werden in Athen also 72 € für eine Schwarzfahrt fällig.

Sonntag, 20. September 2015

Griechenland wird es schaffen!

In Griechenland wird gewählt. Wie es ausgeht, kann ich nicht prognostizieren. In den Umfragen führt mal Syriza, in anderen Umfragen liegt die Nea Dimokratia vorne.

Beide Parteien versprechen, mit Europa noch einmal über die Konditionen des letzten Rettungsprogrammes verhandeln zu wollen. Und damit belügen sie das Volk.

Athen - Syntagma Platz - Menschen gehen über den zentralen Platz der griechischen Hauptstadt - Foto von F. Roland A. Richter - www.frar.com
Menschen in Athen
Die Vereinbarungen sind von den Parlamenten verabschiedet worden, auch von dem Griechenlands. Ich kann mir nicht vorstellen, dass verantwortliche Politiker dieses Paket wieder aufschnüren. Das wissen die Griechen aber auch. Wenn Griechenland es schaffen wird, passiert das nicht wegen, sondern trotz der Politik.

Viele Menschen sind verzweifelt, weil die wirtschaftliche und soziale Situation sehr ernst ist.

Aber die meisten Griechen sind Optimisten. Das spürt man an vielen Kleinigkeiten.

Mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass momentan viele Leute ihre Häuser renovieren. Das tut nur jemand, der an eine Zukunft für sich und seine Familie glaubt.

Ein Volk, das an seine Zukunft glaubt, wird sie haben. Das ist, was ich in Griechenland bemerke. Daher meine Prognose, dass Griechenland die Krise hinter sich lassen wird.

Wie schnell es geht, weiß ich aber nicht. Das hängt auch davon ab, dass mit der Wahl Politiker an die Macht kommen, denen das Wohl des Landes wichtiger ist als das ihrer Klientel. Wir werden sehen.

Freitag, 14. August 2015

Überlegungen zu Griechenland, Teil 2

Wir leben im Zeitalter der sozialen Medien. Im Bekanntenkreis habe ich von gestandenen Akademikern im höheren Lebensalter schon öfters gehört, dieses oder jenes sei so oder so. Auf die Frage hin, woher sie ihre Kenntnis von Sachverhalten haben, bekam ich zur Antwort: "es stand im Internet". Bohrt man nach, findet man dann als eigentliche Quelle Beiträge, in denen es keinen namentlich benannten Verfasser gibt oder Seiten ohne Impressum. Ob die Sachen, die dort stehen, dann der Wahrheit entsprechen oder vielleicht eben auch nicht, kann niemand sagen. Aber diese älteren Bekannten denken, das sei so seriös recherchiert wie es in der Druckpresse in ihren jüngeren Lebensjahren noch der Fall gewesen sein mag. Und auf der Basis bilden sie sich ihre Meinung. Erschreckend für Bildungsbürger, die in ihrer Wissenschaft oft sogar über einen Doktortitel verfügen.

Meinungsbildung, das funktioniert im Zeitalter der sozialen Medien. Sehr gut sogar, und vor allem bei geistigen Spießern wie oben beschrieben.

Bei uns in den Medien spricht die BILD von den Abzock-Griechen. Im Vorfeld der letzten Wahlen forderte die WELT, man müsse Athen mit dem Rauswurf aus dem Euro drohen. Was für ein Demokratieverständnis dahinter steht, gibt mir ein Rätsel auf. Vermutlich handelt es sich um ein fehlendes. Mindestens genauso beleidigend ist öffentlich zur Schau getragenes Mitleid mit den Griechen.

Das deutsche Parlament im Reichstag in Berlin - Foto von F. Roland A. Richter (Wiesbaden) - www.frar.com
Das deutsche Parlament im Reichstag in Berlin
Das bleibt nicht ohne Wirkung. Mir ist klar, dass all dieser geschriebene und in der Öffentlichkeit gesagte Unsinn in Deutschland rein innenpolitische Gründe hat. Ich habe persönlich den Eindruck, dass die Bundesregierung die eigenen Abgeordneten und das Volk belügt. Das wird langsam auch öffentlich deutlich. Die Welt versucht zu erklären, weshalb Angela Merkel ihr Versprechen zur Einbindung des IWF wohl brechen wird. Eine Transferunion wird entgegen aller Zusagen und rechtlichen Regeln jetzt wohl geschaffen. Auch hier springt die WELT Angela Merkel mit einem apologetischen Kommentar bei. Aber man nimmt all das in Griechenland sehr wohl zur Kenntnis.

All diese deutsche Innenpolitik belastet das Verhältnis zwischen deutschen und griechischen Menschen als Individuen nur wenig. So meine Erfahrung. Die mache ich vor allem in Griechenland, wo die Menschen es noch gewohnt sind, mit dem Gegenüber zu reden und sich dann eine Meinung über diese Person zu bilden und nicht, weil man ihnen in den Medien vorgegeben hat, man müsse so oder so denken.

Aber auch hier gibt es Beispiele dafür, wie die Wirkweise sozialer Medien in der Krise wie Gift zwischen den Völkern wirkt.
Das griechische Parlament am Syntagma Platz in Athen - Foto von Roland Richter (Wiesbaden) - www.roland-richter.de
Das griechische Parlament am Syntagma Platz in Athen

Im Griechenland-Blog legt Giorgos Charvalias dar, weshalb die Deutschen nicht die Freunde der Griechen sind. Das klingt relativ moderat, und die Leserkommentare zeigen, dass viele seine Ansicht zumindest verstehen. Auf der griechischen Seite dimokratianews wird der Autor schon deutlicher, was in in den Deutschen sieht: Eroberer, Touristen und Reisende. Wo früher die Wehrmacht den Besitz physisch eroberte, treten heute die Touristen auf und halten Griechenland auf ihren Fotos fest. Schließlich wird auch auf eine historische Kontinuität germanischer Griechenlandfahrer weit vor Adolf Hitler hingewiesen: Schon die Heruler und auch die Westgoten hätten große Zerstörungen in Athen hinterlassen.

Giorgos Charvalias ist nicht typisch für die mir bekannten Griechen. Einige wissen immerhin um die Rolle deutscher Freiwilliger im Kampf für die Unabhängigkeit von den Osmanen Anfang der 1820er Jahre. Die Philhellenen gingen aus ehrlicher Begeisterung für diese Bestrebungen in ein Griechenland, dass sie nicht wirklich kannten. Sie kämpften, die Freiheit wurde bekanntlich auch errungen.

Die damaligen Philhellenen kannten so etwas wie das Internet überhaupt nicht. Die heutigen Griechen interessiert in ihrer großen Mehrheit nicht, was "das Internet" über eine Person oder ein ganzes Volk sagt. Das ist alles erfreulicher als der bildungsbürgerliche deutsche Spießer von heute, der begeistert jeder Propaganda aufsitzt und sie als eigene Meinung übernimmt in der Ansicht, besonders gut informiert zu sein.

Nicht nur unsere Freiheit, sondern auch unsere Idee von Europa droht zerstört zu werden, wenn Propagandisten wie BILD und WELT in Deutschland oder Giorgos Charvalias in Griechenland die Meinung des Volkes wirklich bestimmen.

Es ist wie auf meinem Bild oben: Es wird nur ein Ausschnitt der Statue gezeigt, und der Hintergrund bleibt verschwommen. Mich macht so etwas skeptisch. Ich hoffe, Euch auch.

Überlegungen zu Griechenland, Teil 1

Solidarität heißt handeln - fahrt nach Hellas in den Urlaub. So war die Überschrift meines Blogbeitrags vom 18.03.2015. Und im Juni hatte ich mitgeteilt, dass ich in diesem Jahr nach Griechenland fahren werde. Solidarität heißt nun einmal, dass man handeln muss und nicht immer nur Taten von anderen erwarten kann.

kaputter  Steg, der ins Meer führt, als Symbol für Kaputtes in Griechenland - Foto von Roland Richter (Wiesbaden) - www.roland-richter.de
Mancher Weg in Griechenland ist kaputt
Ich hatte eine wunderschöne Zeit auf Korfu, dort war ich in Molos in einem Hotel. Das Bild zu diesem Blogeintrag ist am Hotelstrand entstanden. Dort führt ein Steg weit ins Meer hinaus, der jedoch kaputt ist. Die Fundamente sind teils abgerutscht, der Holzsteg weist viele fehlende Bretter auf. Man muss balancieren, um voran zu kommen. Auf die kaputte Insel im Hintergrund, deren Fundamente teils ebenfalls abgerutscht sind, kommt man zu Fuß jedoch nicht. Das ganze habe ich hier in einer wunderschönen Abendstimmung fotografiert, wie ich sie nur in Griechenland finde.

Auf Korfu habe ich viele sehr hart arbeitende Menschen getroffen. Es ist schlicht ungerecht, wenn in den deutschen Medien teils pauschal von "faulen Griechen" gesprochen wird. Die gibt es natürlich schon, zum Beispiel im öffentlichen Dienst. Dort sind viele Leute aus politischen Gründen (z.B. Sicherung von Pfründen, Versorgung der politischen Klientel) untergebracht worden, die nicht wirklich arbeiten. 

Aber ich finde nicht, dass wir Deutschen das Recht haben, uns darüber aufzuregen. Trotz Agenda 2010 gibt es bei uns immer noch viele Menschen, die sich im Netz der sozialen Sicherungssysteme eingerichtet haben und die überhaupt nicht vorhaben, durch Steuern oder durch sozialversicherungspflichtige Arbeit ihren Teil zur Finanzierung des Staates beizutragen.

Mein Foto kann man als ein Symbol für die Lage in Griechenland sehen. Vieles ist kaputt, diese Brücke sicherlich auch durch Mängel bei der Bauausführung. Aber die sind von denjenigen zu vertreten, welche die Arbeit geplant und angeleitet haben. Nicht von denjenigen, die sie weisungsgemäß ausgeführt haben. 

Faul sind diese Menschen ganz sicher nicht. Ich habe die Griechen im Gegenteil als sehr fleißig wahrgenommen. Das griechische Volk an sich ist in diesem Sinne schön wie sein Land, besonders in der Abenddämmerung.

Freitag, 31. Juli 2015

Griechenland: Die Bundesregierung belügt die Abgeordneten und das Volk

Eine Bedingung für die deutsche Zustimmung zu den jüngsten "Rettungsmaßnahmen" für Griechenland ist, dass das griechische Staatsvermögen in einen Treuhandfonds übertragen wird. Auf diese Weise sollen, so wurde verkündet, 50 Milliarden Euro zusammenkommen. Diese dienen dazu, die hellenische Schuldenlast zu tilgen.

Der Reichstag in Berlin, in dem der Bundestag seinen Sitz hat - Foto von Roland Richter (Wiesbaden) - www.roland-richter.de
Der Bundestag: Wird hier gelogen?
Bereits jetzt kommt heraus, dass wir alle zu diesem Punkt belogen werden.

Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten haben recherchiert, dass der Fonds der KfW gehören soll. Chefs sind Wolfgang Schäuble und Sigmar Gabriel. Wenn das stimmt halte ich das für kritisch. Denn die Vermögenswerte, welche dorthin transferiert werden sollen, gehören nun einmal dem griechischen Staat. Ein Beitrag auf der Seite Gevestor bestätigt diesen Skandal.

Gleichzeitig berichtete die FAZ, dass die Zahl von 50 Milliarden Euro schlicht eine Erfindung ist, um die Abgeordneten des Deutschen Bundestages zur Zustimmung zu bewegen. Das scheint jetzt durch den IWF bestätigt zu werden, der eine Werthaltigkeit von allenfalls 1,5 Milliarden annimmt.

Mir scheint, dass die deutsche Regierung hier Abgeordneten und Volk mit der Zahl von 50 Milliarden Euro kräftig Sand in die Augen streut. Unabhängig von Zielen, Strategien und (vielleicht ja auch guten) Absichten geht das so nicht. Die Lüge der Regierung zerstört Vertrauen in demokratische Institutionen. Dieser Preis erscheint mir zu hoch.

Freitag, 24. Juli 2015

Tipps für die Reise nach Griechenland

Der Trubel um Griechenland hat uns in den Medien in der letzten Zeit ja sehr beschäftigt. 

die griechische Fahne - Foto von Roland Richter (Wiesbaden) - www.roland-richter.de
Leider ist es so, dass manche jetzt statt ins Land der Hellenen woanders hin fahren. Besonders die Berichte über Schwierigkeiten mit dem Bargeld oder mit Kartenzahlungen dürften abschrecken.

Selbst bleibe ich bei meiner Ankündigung vom Juni, dass ich dieses Jahr auf jeden Fall nach Griechenland fahren werde.

Verbraucherschützer aus Österreich haben unter verbraucherrecht.at gute Hinweise für Reisende veröffentlicht. Die können auch bundesdeutsche Touristen gut gebrauchen. Daher weise ich an dieser Stelle auf die Tipps hin. Die Welt hat vor einiger Zeit ein Video veröffentlicht, in dem Touristen über ihre Erfahrungen in Griechenland berichten. Und die sind durchweg gut.

Meine Erfahrung ist, dass die Griechen strikt zwischen der Politik und den Politikern auf der einen Seite und den normalen Menschen auf der anderen Seite unterscheiden. Über meine Erfahrungen werde ich berichten.

Freitag, 10. Juli 2015

Petros Markaris zur Situation in Griechenland

Die FAZ hat heute ein Interview mit Petros Markaris veröffentlicht. Darauf möchte ich Euch hinweisen.
Athen, Hauptstadt Griechenlands
Athen, Hauptstadt Griechenlands

Der
bekannte Schriftsteller weist darauf hin, dass Griechenland einerseits kein kompromissorientiertes Land sei.

Zum anderen leide es sehr an der jahrzehntealten Klientelwirtschaft. Er meint, dass die vielen Arbeitslosen derzeit aus der privaten Wirtschaft, aus dem Mittelstand stammen. Nach meiner Beobachtung stimmt es. Im Staat und dort, wo die Klientel der alten Parteien nach wie vor das Sagen hat, gibt es weiter Beschäftigung. Bezahlen muss das der Mittelstand, der inzwischen ausgeblutet ist. Für die Zukunft Griechenlands sieht er nur eine Chance:
Die Parteien müssen zu Reformen gezwungen werden, die auch ihre Klientel treffen, und zwar schmerzhaft.
Wer mehr über die Hintergründe der Probleme in Griechenland erfahren möchte, dem empfehle ich Markaris Buch Finstere Zeiten.

Dienstag, 7. Juli 2015

Die große Reinigung beginnt

Katharsis (κάθαρσις) ist ein griechisches Wort. Es bedeutet Reinigung. Das, was nach dem Votum der Hellenen jetzt beginnt ist der Zusammenbruch unseres ökonomischen Systems. 

die griechische Fahne - Foto von Roland Richter (Wiesbaden) - www.roland-richter.de
Manche sehen es als Reinigung an, wenn "der Kapitalismus" verschwindet und "der Neoliberalismus" nichts mehr zu sagen hat.  Das Weltfinanzkapital, Kapitalisten und andere Feinde sollen vernichtet werden. Und die Vernichtung der Feinde kann nur durch eine Revolution erfolgen. Diese muss die Strukturen des von den USA dominierten weltweitern Finanzkapitals hinwegfegen.

Und die linken Politiker Europas haben festgestellt, dass der fehlkonstruierte Euro ein gerade zu perfekter Hebel ist, um da anzusetzen.

Nur... Revolution findet nicht statt, wenn es den Menschen gut geht. Und noch geht es den meisten Menschen in Europa gut. Denjenigen, denen es nicht gut geht, gibt Europa Hoffnung. Zerstört man den Euro, geht es vielen nicht mehr gut und sie beziehen aus Europa keine Hoffnung mehr. Das erst wird den Boden für die Revolution bereiten, die alle Hoffnungen der Menschen im Sozialismus bündelt.

Natürlich war das mit dem Frieden lange Zeit eine unsichere Angelegenheit. Zwei Blöcke standen auf unserem Kontinent militärisch gegeneinander. Einer trat für die Werte des kapitalistischen Westens an. Der andere für die des Sozialismus. Blöd nur für dessen Fans, dass der Sozialismus pleite ging und dass die in ihm lebenden Menschen ihn abstreifen konnten. Griechenland bietet jetzt den perfekten Ansatz, um den Kapitalismus mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Dies aus folgenden Gründen:
  1. Griechenland ist überschuldet. Es wird seine Verbindlichkeiten niemals voll bedienen können. Die Ehrlichkeit, das in vollem Ausmaß den Bürgern zu vermitteln hat die Politik in ganz Europa nicht gehabt.
    Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Frau Merkel und Herr Schäuble uns erklären, dass jeder hier lebende Mensch mit 1.000 Euro dabei ist. Und ich rede jetzt nicht nur von den Steuerzahlern, der arbeitenden Bevölkerung. Auch jedes neugeborene Kind, jeder neu ankommende Migrant und jeder Mensch aus sozial schwachen Schichten ist mit dabei.
  2. Griechenland kann nicht aus dem Euro ausgeschlossen werden. Die Währungsgemeinschaft ist vom Fundament her "unumkehrbar" - das Ausscheiden eines Staates aus ihr ist schlicht nicht vorgesehen. Vielleicht kann ein Staat freiwillig ausscheiden. Nie aber kann er dazu gezwungen werden.
  3. Der Euro wie jede westliche Währung bezieht seinen Wert daraus, dass die Menschen auf die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft vertrauen. Das ist bei Griechenland nicht möglich. Woher soll das Vertrauen kommen? Daher, dass die korrupten Eliten auch von der neuen Regierung nicht wirklich zur Kasse gebeten werden?
    Wenn man aber in einer Gemeinschaft einem Mitglied nicht vertrauen kann, und die anderen Mitglieder sich von diesem nicht trennen, kann kann man nur gegen alle Mitglieder misstrauisch sein. Das gilt auch für die Gemeinschaft der Euro-Staaten.
    Das Misstrauen gegen die Regierung Griechenlands wird so zum Misstrauen gegen alle Regierungen. Und das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den Wert der Währung.
  4. Die Politiker der anderen Staaten haben ihren Bürgern jahrelang vorgegaukelt, dass man Griechenland helfen müsse, Geld geben, auf die Rückzahlung von Schulden verzichten... und jetzt geht das Drama immer weiter. Mit dem Drama von Hellas ist ein Verlust an Glaubwürdigkeit der politischen Eliten verbunden.
    Podemos in Spanien und der Front National in Frankreich stehen bereit, sie zu beerben.
  5. Die politischen Eliten haben mehr und mehr Angst, von aufkommenden Skeptikern verdrängt zu werden. Und diese Angst bestimmt zunehmend ihr Handeln.
    Vergessen wir nicht: Die Parteien, die heute in Griechenland die Regierung stellen, sind sehr jung. Ihre Wahl war eine Abwahl des Establishments, welches Griechenland durch Misswirtschaft und Korruption erst in seine Lage gebracht hat.
Nach der letzten Parlamentswahl in Griechenland habe ich die These aufgestellt, dass mit  ihr das Ende der politischen Eliten in Europa eingeläutet wird. Darin sehe ich mich jetzt bestätigt. Die griechische Regierung hat ein Theaterstück mit Bravour aufgeführt, dem die ganze Welt inklusive dem eigenen Volk auf den Leim gegangen ist.

Zunächst ging es einmal darum, Zeit zu gewinnen. Fünf Monate lang wurde verhandelt. Immer neue Vorschläge. Die Europäischen Partner haben sich sehr bewegt und auch viele Fehler, die bislang gemacht worden waren, erkannt. Sie sind Griechenland entgegen gekommen. Das ganze lief allerdings mit viel Klamauk ab. Dass Frau Lagarde wieder mit Erwachsenen sprechen wollte, ist nur ein Bonmont. Als IFW-Chefin muss sie sich nachsagen lassen, dass ihre Politik komplett gescheitert ist.

Letzter Verhandlungsstand: Die Griechische Regierung schlägt nicht ein, sondern setzt ein Referendum an und empfiehlt dem Volk, mit Nein zu stimmen. Das griechische Wort όχι ist in den Wortschatz ganz Europas eingegangen.

Vielen Menschen geht es in Griechenland sehr schlecht. Sie haben in der Krise viel verloren. Die Regierung führt - rechtzeitig vor der Abstimmung - Kapitalbeschränkungen an, die die gefühlte Lage dramatisieren und verschlimmern. Der Kampf um die Abstimmung wird sehr emotional geführt. Den Griechen geht es darum, Europa ein Signal zu geben, dass es so nicht weitergehen kann. Sie stimmen mit όχι. Europa ist ratlos.

Tsipras und Varoufakiks haben ein durchschaubares Spiel gespielt: Good cop, bad cop. Nach dem für die Regierung erfolgreichen Referendum geht sie politisch gestärkt in die Gespräche. Varoufakis geht. Er wurde durch Tsakalotos abgelöst, was den Insititutionen ein Entgegenkommen signalisieren sollte. Die Medien zumindest fallen nicht darauf hinein.

Ob die Politiker es tun, werden wir sehen. Die Eurogruppe will Griechenland eine neue Chance geben. Die wievielte Deadline jetzt anberaumt wird, kann ich gar nicht mehr zählen. Ich befürchte aber Schlimmes. Inhaltlich hat sich das Spiel aber nicht verändert, nur weil in der Mannschaft einer ausgetauscht wurde. Die Spitzen Europas verbreiten aber Optimismus, dass die Situation jetzt geklärt werde.

Was ist das Ergebnis des ganzen Theaters? Es wird weiter verhandelt. Diese Tatsache kann niemand bestreiten.

Es wird nicht auf die Einhaltung der geschlossenen Verträge und Vereinbarungen gepocht. Diese erscheinen so nur noch als unverbindliche Handlungsmöglichkeit der Beteiligten. Damit muss man sagen, dass ein Preis für die Rettung Griechenlands die Erkenntnis sein kann, dass die Europäischen Verträge nicht das Papier wert sind auf dem sie stehen.

Ob mit oder ohne Ergebnis verhandelt wird, ist daher fast schon egal. Der Wille der Regierung, in Griechenland substantielle Veränderungen durchzusetzen, ist gar nicht da. Griechenland wird also nicht alles liefern was es müsste. Das ist jetzt schon einigen klar. Die Solidarität in Europa beginnt bereits zu bröckeln.

Wohin geht die Reise? Ich denke, jetzt beginnt eine Entwicklung, die von den Mächtigen und Ängstlichen unseres Kontinents nicht mehr aufgehalten werden kann. Weil sie zu weich sind und zu schwach, um auf die Einhaltung elementarer Spielregeln untereinander zu bestehen, die man in Europa ja vereinbart hat. Damit ist klar, dass diese Regeln nichts wert sind.

Diese Entwicklung fürchte ich, denn sie wird viel Leid und Elend mit sich bringen. Um die Furcht zu überwinden, müssen die Dinge aber beim Namen genannt werden. Die Zeit der Reinigung ist gekommen. Wohin sie führt, kann niemand sagen. Aber es wird nichts bleiben, wie es war.

Gott schütze Griechenland! Gott schütze uns alle!