Posts mit dem Label Germanen werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Germanen werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 29. Januar 2024

Die alte Linde auf dem Stadtwall in Göttingen

Auf dem Stadtwall in Göttingen steht eine alte Linde. Bei meinem letzten Besuch im Januar 2024 ist mir wieder einmal aufgefallen, wie schön sie ist. Daher schreibe ich einen Beitrag im Blog über sie.

Die Geschichte vom Stadtwall in Göttingen und der Linde von 1765

Der Wall selbst ist schon sehr alt. 1362 hat Herzog Ernst von Braunschweig-Göttingen entschieden, dass Göttingen durch einen Wall befestigt und geschützt werden darf. Es dauerte gut 200 Jahre, bis er errichtet war. Berücksichtigt man zahlreiche zusätzliche zusätzliche Anlagen und Instandsetzungsarbeiten, kommt man sogar auf eine Bauzeit von 400 Jahren.

Die Linde von 1765
Die Linde von 1765
Im Endausbau war der Wall mit einer Festungsmauer versehen, es gab einen Wallgraben und viele ausgebaute Türme, Schanzen und Außenbastionen. Durch vier Tore kam man in die Stadt, die im Prinzip gut zu verteidigen war.

Im Mittelalter war es ein Privileg, wenn eine Stadt eine Stadtmauer oder einen Stadtwall zur Verteidigung haben durfte. Solche Sicherungen waren nicht neu, die gab es schon in der Antike. Die Porta Nigra ist das wohl bekannteste Stadttor in Deutschland, das noch aus der Zeit der Römer stammt. In Wiesbaden gibt es die Heidenmauer, auch andere Befestigungen sind seht als. Selbst von Kelten und Germanen sind Befestigungen um Siedlungen bekannt.

Durch die Entwicklung auch der Militärtechniken verloren Stadtwälle und Stadtmauern nach dem Mittelalter ihre Funktion. Sie konnten von Kanonen zerschossen werden. Dem versuchte man zunächst durch stärkere Befestigungen und sternförmig aufgebaute Befestigungsanlagen zu begegnen. Das nützte aber nichts, denn mit Kanonen ließ sich auch über eine Mauer hinüberschießen. Das ist auch in Göttingen passiert.

Also machten Stadtmauern keinen Sinn mehr. Die mit ihnen verbundenen Kosten standen in keiner Relation zum Nutzen, den sie noch haben konnten. Zudem schnürte eine starke Befestigung das Wachstum der Städte ein. Aus diesem Grund waren schon um 1800 viele Stadtbefestigungsanlagen abgerissen worden.

In Göttingen hat man es anders gemacht. Im Jahr 1762 – nach Ende des Siebenjährigen Krieges – hat die Stadt beschlossen, dass die Stadt keine Befestigung mehr haben sollte. Den Wall selbst wollte man jedoch erhalten. Die offizielle Begründung für diese Entscheidung war, dass die Professoren der gerade erste gegründeten Universität Göttingen einen schönen Spazierweg um die Stadt bekommen sollten. Diese Begründung wird auch bis heute kolportiert. Ich glaube sie aber nicht.

Das das Wohlergehen der Professoren die wirkliche Motivation der Stadt war, ist eine sehr zweifelhafte Begründung. Die Uni ist 1732/34 gegründet worden und war schnell ein Erfolg. Für das Jahr 1745 sind ungefähr 600 Studenten überliefert, die an der Georgia Augusta studierten. Für die damalige Zeit waren das viele. Das akademische Niveau war hoch, die Bezahlung gut und eine Professur in Göttingen brachte zudem eine echte akademische Reputation mit sich. Ich denke nicht, dass die Stadt es nötig hatte, sich bei den Professoren beliebt zu machen. Zumal war die Universität keine Angelegenheit der Stadt, sondern des Staates. Sie hatte ein eigenes Bürgerrecht. Auch wenn Göttingen mittelbar profitiert haben mag: Die Stadt und die Universität waren formal zwei nebeneinander bestehende Angelegenheiten (die allerdings ohneeinander nicht konnten).

Ich vermute für den Erhalt des Walls einen anderen Grund, den man allerdings nicht öffentlich eingestehen wollte: Geld.

Die Beseitigung des Stadtwalls dürfte sehr teuer gewesen sein. Das Geld wollte die Stadt Göttingen sich sparen. Die Stadt konnte einfach auch außerhalb des Walls weiter ausgebaut werden. Die Befestigung der Stadt sollte keine weiteren Kosten nach sich ziehen. Aber ob der Wall stehen blieb oder beseitigt wurde, war eigentlich egal. An einigen Stellen ist er verschwunden, aber der größte Teil steht noch bis heute.

Schild an der Linde

Wie dem auch sei, der Wall blieb und ist bis heute ein wunderbarer Spazierweg rund um die Stadt. Die Stadt hat ihn mit Linden bepflanzt und so begrünt. Die älteste, heute noch erhaltende Linde ist um das Jahr 1765 gesetzt worden. Sie dürfte also noch aus der Zeit der „Demilitarisierung“ beziehungsweise „Entfestigung“ des Stadtwalls stammen.

Diese Linde ist der einzige Baum, der aus dieser Zeit erhalten geblieben ist. Sie kann ihren Stand allerdings nur dank vieler menschgemachter Unterstützung halten. Aber sie lebt und gedeiht prächtig. Dass man auf so ein altes Wesen gut aufpasst, finde ich gut.

Übrigens ist der Stadtwall heute als Naturdenkmal ausgewiesen. Er gehört zum Landschaftsschutzgebiet Nordöstliche Göttinger Hochflächen. Die Linde hat als Bestandteil des Stadtwalls damit sogar ein eigenes amtliches Kennzeichen: Naturdenkmal ND GÖ-S 93. Das ist doch auch was.

Selbst habe ich den größten Teil meiner Studienjahre in Göttingen verbracht. Ich gebe zu: An dieser Linde bin ich oft vorbeigekommen, ohne groß über sie nachzudenken. Warum auch, wenn mich Sorgen vor der nächsten Klausur, Nachwirkungen der letzten Party oder andere Alltäglichkeiten beschäftigt haben. Heute finde ich, dass diese Linde wohl eine der schönsten Attraktionen des Göttinger Stadtwalls ist.

Sie ist ganz einfach zu finden. Wenn Du aus Richtung des Bahnhofs nach rechts auf den Wall gehst, kommst Du hin. Sie steht kurz vor dem Bismarckhäuschen auf der Seite, die dem Inneren der Stadt zugewandt ist.

Wenn Du dort bist, dann halte doch einen Moment an. Ich finde, es lohnt sich diesen wunderschönen und alten Baum einmal in Ruhe anzusehen. Ich denke darüber nach, was alles in Göttingen so passiert ist, seit er seine Wurzeln an dieser Stelle des Stadtwalls ausgestreckt hatte. Es waren schreckliche Zeiten dabei wie die Kriege und auch die Herrschaft der Nazis. Aber alles das ging vorbei. Der Baum steht noch und ist immer noch grün.

Ein solch alter Baum gibt uns Menschen die Zuversicht, dass das Leben über alles Übel auf der Welt Bestand hat. Ich finde, das ist ein sehr tröstlicher Gedanke.

Der Mythos von der Linde

Die Linde ist ein Baum, der schon bei den alten Germanen eine besondere Bedeutung hatte. Sie verehrten ihn als einen Baum, der ihrer Göttin Freya geweiht war. Linden galten als der Sitz guter Geister. Freya war die Göttin der Liebe, des Glücks, der Fruchtbarkeit und des guten Haustandes. Zusammengefasst kann man sagen, dass es bei Freya um das Wohlergehen der Menschen ging.

Die Germanen stellten sich vor, dass Bäume und Menschen miteinander verbunden und vor allem „von gleichem Wesen“ waren. In neuheidnischen Kulten kommt es deshalb vor, dass ein neuer Gläubiger „seinem“ Baum vorgestellt wird, mit dem er dann Zeit seines Lebens verbunden bleibt.

Allerdings gibt es auch Schattenseiten der Linde. Kann sie den Menschen schützen, kann sie auch Schutz von ihm abhalten. Deutlich wird das in der Sigfried-Saga. Als Siegfried im Blut des Drachen badet, das ihn vor Verletzungen schützen soll, fällt ein Lindenblatt zwischen seine Schulterblätter. Es hält das Drachenblut davon ab, die Haut an dieser Stelle zu benetzen. Hier bleibt Siegfried verwundbar. Und Hagen von Tronje Siegfried tötete, befand dieser sich unter einer Linde.

Wo Germanen lebten und Linden wuchsen, hatte dieser Baum eine besondere Bedeutung. Er mag vergleichbar gewesen sein mit dem Omphalos der alten Griechen. Hier trafen die Menschen sich zum Thing und besprachen alle Angelegenheiten, die ihre Gemeinschaft betrafen. Die Linden galten als ein Ort der Wahrheit, Gerechtigkeit, Klarheit und Entschlossenheit, hier spielten Mitgefühl und göttliches Wissen eine große Rolle. Unter Linden empfingen die dazu berufenen Menschen Signale aus der Geisterwelt, der Mythos der Linde war den heidnischen Germanen sehr wichtig.

Das ist mit der Christianisierung nicht verschwunden, auch wenn alle Götzenstatuen und anderen heidnischen Symbole zerstört worden sind. Statt der Göttin Freya waren diese Bäume nunmehr Maria geweiht, der Mutter Jesu. Manche Baumheiligtümer wurden als Marienlinden weiter verehrt. Die Religion wechselte, die Linde blieb.

Ob man in Göttingen von diesen alten Mythen wusste, als man entschied, den Stadtwall mit Linden zu befassen? Ganz wundern würde mich das nicht. Ich habe das aus den mir zugänglichen Quellen nicht klären können.

Otto von Bismarck und die Linde auf dem Stadtwall

Der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck hat 1833/34 in Göttingen studiert.

Seine Zeit in Göttingen muss Bismarck sehr genossen haben. Die erste Zeit lebte er in der Wohnung des Hauswirts und Bäckers Justus Friedrich Schumacher. Die heutige Adresse ist Rote Straße 27. Mit den Studien nahm Bismarck es nicht so genau. Er genoss seine Freiheiten, war Mitglied des heute noch bestehenden Corps Hannovera und soll recht trinkfreudig gewesen sein.

Bismarckhäuschen (Januar 2024)
Bismarckhäuschen (Januar 2024)
Irgendwann reichte es ihm in der Stadt und er bezog eine neue Wohnung. Ganz freiwillig war der Umzug nicht. Bismarck ist mit den Obrigkeiten in Göttingen des Öfteren in Konflikt geraten. Das ist auch dadurch gut nachzuvollziehen, dass der spätere Eiserne Kanzler als Student sogar in Karzerhaft kam.

Seine neue Bleibe befand sich in einem alten Turm der Befestigungsanlage am Wall, der erhalten geblieben war. Dieser trägt heute den Namen Bismarckhäuschen und ist ein kleines Museum. Das Bismarckhäuschen liegt an der äußeren Seite des Stadtwalls, gehört also nicht mehr zur Innenstadt. Mit seinen Umtrieben dort war Bismarck nicht mehr in Gefahr, von der Universitätsgerichtsbarkeit belangt zu werden. Andere berichten, dass man ihn als „Radaubruder“ ausdrücklich aus der Stadt verbannt hätte. Er habe sie nur noch betreten dürfen, um seinen Studien nachzugehen. Daran mag etwas Wahres sein. Profaner ist wohl eine andere Erklärung: Vom Häuschen am Wall kam Bismarck schnell zum Leinekanal, in dem er regelmäßig gebadet hat. Das Leben hier war für ihn hygienischer als in der Roten Straße.

Die alte Linde befindet sich ganz in der Nähe des Bismarckhäuschens. Du musst auf dem Wall nur in Richtung Bahnhof gehen, dann kommt sie alsbald auf der rechten Seite.

Ich habe an einigen Stellen für sie die Bezeichnung Bismarcklinde gelesen. Fakt ist, dass Otto von Bismarck oft an ihr vorbeigekommen sein dürfte. Das war bei Bismarck nicht anders als bei jedem anderen Menschen, der auf dem Stadtwall in Göttingen spazieren geht. Mehr mit ihm zu tun hatte dieser Baum aber nicht.

Tipp für einen Besuch in Göttingen

Wenn Du auf dem Stadtwall nur die Linde sehen möchtest, dann sollten Dir die Informationen reichen, die Du auf dieser Seite lesen kannst. 

Blick vom Wall über Göttingen
Blick vom Wall über Göttingen
Möchtest Du mehr über den Wall, seine Historie und die Geschichten um die Sehenswürdigkeiten des Walls wissen, dann gibt es eine Führung, die ich Dir gerne empfehle.

Unter dem Motto von der Bastion zur Promenade geht es einmal um die Altstadt herum. Ihr erfahrt nicht nur etwas über die Sehenswürdigkeiten am Wall, dazu gibt es auch viele Anekdoten. Es lohnt sich wirklich, diese Tour zu machen.

Mit dieser Empfehlung schließe ich meinen Beitrag zur alten Linde auf dem Göttinger Stadtwall ab.


Freitag, 10. Juni 2022

Arminius, Arminia... Satire darf das

Die Tageszeitung hat eine satirische Kolumne, die Wahrheit. Dort ist jetzt ein Artikel erschienen mit der Überschrift "Arminius hieß tatsächlich Arminia"

Das Hermannsdenkmal bei Detmold
Das Hermannsdenkmal
Die Kernthese einer dort zitierten 23 jährigen Historikerin lautet: "Man darf Tacitus nicht auf den Leim gehen. Der sogenannte Arminius war nicht der Sohn des Cheruskerfürsten, sondern seine Tochter."

Das ist natürlich Unsinn. Der Autor Peter Köhler nimmt eine letzten Endes eine Tendenz aufs Korn, die heutigen politischen Wunschvorstellungen entsprießt. Es geht darum, Geschichte umzuschreiben oder sie zumindest in ein als richtig empfundenes Framing einzubetten.

Diese Entwicklung ist sehr bedenklich. Ihr mit Satire zu begegnen liest sich herrlich.... Arminia als Ehefrau des Varus, die Varusschlacht quasi als Ehekrieg. 

In dieser Satire steckt aber auch ein bisschen Wahrheit. In den antiken Quellen ist der Germane mit seinem römischen Namen Arminius überliefert. Seinen ursprünglichen, germanischen Namen kennen wir nicht. 

Berichtet wird über Arminius übrigens nicht nur durch Tacitus in seinen Analen. Auch Strabon, Velleius Paterculus und Florus erwähnen ihn.

Durch Strabon und Tacitus ist auch überliefert, dass Arminius eine Frau hatte: Tusnelda. Dass Arminius eine Frau war, kann schon dadurch ausgeschlossen werden, dass beide miteinander einen Sohn hatten. Seinen Namen kennen wir nicht. Aber er ist bei Tacitus erwähnt, weshalb seine Existenz als gesichert gelten darf.

Bleiben wir aber bei dieser Satire. Sie stammt aus der Feder von Peter Köhler, bei dem ich mich dafür sehr bedanken möchte. Gerade für an der römischen und germanischen Geschichte interessierte Leute ist sie sehr amüsant.