Dienstag, 27. September 2022

Die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen vor 200 Jahren

Vor 200 Jahren gelang Jean-François Champollion etwas, das bis dahin niemand geschafft hat. Er konnte die Hieroglyphen des antiken Ägypten lesen. Am 27. September 1822 präsentierte er der Fachwelt die Ergebnisse seiner Forschung.

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ägyptische Hieroglyphen
Die Grundlage dieser Leistung bildete ein Fund, der am 15. Juli 1799 während Napoleons Feldzug durch Ägypten gemacht wurde: Der Stein von Rosette.

Dass dieser Stein gefunden und auch seine Bedeutung erkannt wurde, war purer Zufall. In der Nähe des Ortes Rosette im Nildelta ließ der französische Pionieroffizier Pierre François Xavier Bouchard Schanzarbeiten durchführen. Eine osmanische Armee marschierte an, um die Franzosen aus Ägypten zu vertreiben. Bouchard meldete den Fund an seinen General Jacques-François Menou. Dieser nahm den Stein zunächst mit zu sich nach Hause. 

Napoleon hatte auf seinem Feldzug nach Ägypten zahlreiche Wissenschaftler mitgenommen. Diese erkannten, dass dieser Stein einen Text in drei Schriften enthielt: Griechisch, Demotisch (die Volkssprache im alten Ägypten) und in Hieroglyphen. Diese Inschrift in drei Sprachen konnte der bisher fehlende Schlüssel zur Geschichte des antiken Ägyptens sein. Daher fertigten sie Zeichnungen und Abschriften. Für genauere wissenschaftliche Untersuchungen fehlte die Zeit. Als die französische Armee am 30. August 1801 bei Alexandria kapitulierte, ging dieser Stein als Beute an die Briten. 1802 wurde er erstmals im Britischen Museum in London vorgestellt. Dort befindet sich der Stein von Rosette noch heute.

Obwohl die (Alt-)Griechische Sprache damals jedem Gelehrten bekannt war, schafften zunächst weder französische noch britische Wissenschaftler den großen Wurf. Das blieb dem jungen Jean-François Champollion vorbehalten. Champollion wurde 1790 geboren und war bei der Entdeckung dieses Steins erst 9 Jahre alt. 

Im Alter von 11 Jahren zog Champollion nach Grenoble zu seinem Bruder, der dort Professor für die griechische Sprache war. Er erhielt Privatunterricht und entwickelte eine Begeisterung für das antike Ägypten. 1802 traf Champollion einen der Wissenschaftler, der zusammen mit Napoleon in Ägypten war: Joseph Fourier. Dieser hatte eine Sammlung altägyptischer Altertümer, die er dem Jungen zeigte. Fourier erklärte ihm, dass noch niemand die Schrift der alten Ägypter lesen könne.

Das löste in Champollion etwas aus. Er wusste nun genau, was er in seinem Leben erreichen wollte. So begann er, mehrere orientalische Sprachen zu erlernen. Mit 17 konnte er vor der Fachwelt bereits einen Vortrag über Zusammenhänge der Hieroglyphenschrift und der koptischen Schrift halten. Mit 18 beherrschte er acht Sprachen.

1808 bekam Champollion eine Abschrift des Steins von Rosette. Hier gelang es ihm zunächst, das demotische Alphabet zu lesen. Das war zwar nicht sein Lebensziel, aber auch eine hervorragende wissenschaftliche Leistung. Ein Teil der damals bekannten ägyptischen Papyri konnte jetzt gelesen werden. 

Im Alter von gerade einmal 20 Jahren wurde Champollion Professor für Alte Geschichte an der neu gegründeten Universität von Grenoble. Das war im Jahr 1810. Als nach dem endgültigen Sturz Napoleons die Royalisten in Frankreich wieder an die Macht gelangten, brachte dies große Unruhen mit sich. Durch politische Intrigen hatte er seine Ämter verloren und war es auch leid, sich mit diesen zu beschäftigen. Er ging 1821 nach Paris. Mit seinen Forschungen zur demotischen Schrift und den Hieroglyphen war er schon gut voran gekommen. Er hatte entdeckt, dass manche Hieroglyphen die Funktion von Buchstaben hatten, also Lautzeichen waren. Andere wiederum standen für ganze Worte. 1822 gelang ihm dann endgültig der Durchbruch. 

Am 27. September 1822 stellte Champollion die Ergebnisse seiner Forschung an der Académie des inscriptions et belles-lettres in Paris vor. Die anwesenden Gelehrten kritisierten ihn scharf, bezweifelten die Richtigkeit seiner Forschungsergebnisse und beschuldigten ihn des Plagiats. Champollion ließ sich dadurch nicht beirren und veröffentlichte die wesentlichen Ergebnisse seiner Forschung. Heute sieht die Welt Champollions Leistung als einen ganz großen Durchbruch in der Entwicklung der Ägyptologie.

1828/29 bereiste Champollion Ägypten und stellte befriedigt fest: "Unser Alphabet ist richtig! Es kann mit demselben Erfolg bei den ägyptischen Denkmälern der Römer- und Ptolemäerzeit und bei sämtlichen Inschriften von Tempeln, Palästen und Gräbern der Pharaonenzeit angewendet werden."

Champollion starb 1832 an einem Schlaganfall. Sein Bruder vervollständigte seine "Ägyptische Grammatik" und gab sie 1836 heraus. 

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